Mit Orientalismus bezeichnete Edward Said (1978) die aus westlicher Perspektive einseitig geführte und in den Jahrhunderten tradierte Konzeptualisierung sowie Darstellung des „Orients“ als das Andere der Kultur. Als dekontextualisierter, ahistorischer und mythischer Ort diente der Orient dem Westen nicht nur als Projektionsfläche für Phantasien, Wunschbilder, Vorurteile und Ängste, sondern auch als struktureller Stützpunkt für die Definition des Selbst bzw. der eigenen Hegemonie. Orientalistische Sichtweisen charakterisieren auch den Diskurs der Mode und wohnen unterschiedlichen klassischen Modetheorien inne. Diesen zufolge sei die Mode ein spezifisch westliches Phänomen, das den traditionellen und eher statischen nichtwestlichen Kleidungskulturen

oppositionell gegenüber stehe. Die Beziehung der Mode zum sogenannten Orient war jedoch schon immer sehr ambivalent: gerade die Zeichen angeblich „nichtmodischer“, „traditioneller“ Kulturen benutzte die westliche Mode durchgehend, um sich selbst zu erneuern, um immer neue Inspirationen zu gewinnen und um sich selbst als eine Andere zu imaginieren.

Das Seminar setzt sich zum einen mit unterschiedlichen Aspekten und Bedeutungen des vestimentären Orientalismus auseinander und versucht dabei, alte und neue Stereotype diesbezüglich zu dekonstruieren. Zum anderen befasst es sich mit der wechselseitigen Hybridisierung von Mode- und Kleidungskulturen, mit Phänomenen des Selbst-Orientalismus sowie mit der Konstruktion mehrschichtiger postkolonialer Identitäten. Wie können die Verflechtungen zwischen unterschiedlichen Mode- und Kleidungskulturen jenseits der Selbst -vs. - Andere-Logik neu interpretiert werden? Wie können Alternativen zum Orientalismus konzipiert werden, welche der strukturellen Transnationalität der Mode und den transkulturellen Modesubjekten gerecht werden?