Wir leben im Zeitalter des Designs. Dazu gehört, dass der Designbegriff in den letzten 40 Jahren "ausgeweitet" wurde, so dass Ingenieurs-, Natur-, Geisteswissenschaften ihn ebenso reklamieren, wie Kleinindustrielle, Software-Entwickler, Handwerker, Maker und Amateure ihn zum Ausweis ihrer gestaltenden Kompetenzen heranziehen. Wie wirkt diese Ausweitung auf das Selbstverständnis der Professionellen zurück? Löst der Beruf sich in diesen Ausdifferenzierungen einfach auf? Oder gibt es einen besonderen Bereich, die professionelle Designerinnen und Designer für sich reklamieren können?

Welcher Begriffe bedarf es, um die besonderen Kompetenzen zu beschreiben, auf die Designerinnen und Designer ihre besondere Arbeit stützen? In welchen ästhetischen und kulturellen Zusammenhängen findet ihre Arbeit statt? Welche aktuellen Anforderungen kommen auf die professionelle Designarbeit zu? Wie können diese Anforderungen verstanden und aufgenommen werden? Wie hilfreich sind dabei theoretische Reflexionen?

Was überhaupt ist "Gestaltungsvermögen"? In welchem Spannungsverhältnis stehen Designerinnen und Designer zu den Kulturen, in denen sie agieren? Ist Design nur eine Reaktion auf andere - technische, kommunikative, kommerzielle - Prozesse im Sinne einer Dienstleistung zur Einpassung ins mediale Gefüge und ins Konsumgeschehen oder zu deren Illustration? Oder stecken im Design eigene Erkenntnispotentiale, die von anderen Disziplinen, obwohl auch diese ästhetisch agieren, nicht realisiert werden? Wie kann diese Eigenständigkeit theoretisch abgebildet und argumentativ eingesetzt werden? Kann Design, das wie keine andere Disziplin die Lebensstile mit Konsummustern aufgerüstet hat, den Rückbau konsumistischer Lebensstile initiieren und unterstützen? Worin besteht die politische Macht von Designerinnen und Designern und wo "lauern" die Verführungen und Illusionen, die mit dieser Macht verbunden sind? Was wissen wir über den Egoismus in der Formbildung und was über Möglichkeiten, diese Alleinvertretungsansprüche zu relativieren und zu demokratisieren?

Der Kurs macht mit einem Spektrum an Theorien und konzeptionellen Überlegungen bekannt, die diese Fragen umkreisen. Sie sollen helfen, die Komplexität dieser Prozesse analytisch zu fassen und, darauf aufbauend, strategisches Denken unterstützen. Im Verlauf des Kurses können die Richtungen und die Intensitäten bei der Auseinandersetzung mit einzelnen Fragen und ihrer theoretischen Reflexion von den Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern selbst stark beeinflusst werden. Ziel des Kurses ist es, dass alle Teilnehmenden zumindest eine eigene Forschungsfrage zu möglichen Funktionen von Design in Gegenwart und naher Zukunft entwickeln und sehr gut wäre es, wenn daraus am Ende gut begründete Statements zu diesen Fragen und absehbaren Perspektiven ihrer Beantwortung entstehen würden.

Der Kurs ist für den ersten Studienabschnitt (nicht unbedingt für das erste Semester) konzipiert und verlangt die Bereitschaft, wöchentlich zu lesen und über das Gelesene kritisch zu debattieren. Er soll entwickeln die Fähigkeiten, die Intuition und das Handwerk des Designs als Vordergrund einer intellektuellen Dimension im Rückraum des Entwerfens aufzufassen, zu verstehen, was implizites Wissen ist und wozu die Reflexion des praktischen Tuns und seine Einordnung in umliegende Zusammenhänge der Qualität des Entwerfens günstig sein kann.